cas Concos
Auf der zweiten Finca, in die wir nach einem Jahr umzogen, endete das Abflussrohr der Toilette unter einem riesigen Feigenbaum
im hinteren Garten. Er gedieh prächtig und es roch nie nach Fäkalien. Für unsere Töchter und ihre Freunde einige Zeit ein sehr interessanter Abenteuerplatz.
Die Miete betrug etwa 250,-€ was wirklich nicht viel war, dazu etwas Solarstrom- wir hatten damals eine mickrige Platte vom Vormieter übernommen- und Wasser aus dem Brunnen. Mit einer 12 Volt Pumpe wurde es in den Wassertank aufs Dach gepumpt, von dort oben hatte es dann genug Druck um auch die Gastherme in Gang zu setzten, wenn wir badeten oder duschten. Das Bad lag- wie damals üblich - außerhalb des Hauses in einem kleinen Anbau. Wir hatten aber schon den Luxus, daß der Weg überdacht war. Der Kühlschrank lief ebenfalls über Gas.
Das waren zunächst die drei ungewohntesten Dinge: daran zu denken die Wasserpumpe wieder abzustellen, festzustellen, das jedes mal wenn wir nicht da waren, die Gasflasche vom Kühlschrank leer war und das wir im Winter ab etwa 18.00 im Dunkeln, bzw Kerzenlicht saßen.
Das hörte sich für unsere Besucher immer sehr romantisch an. Seufzend saßen sie in ihren Ferien bei uns vor dem Haus, ein Glas Wein in der Hand, Sternengefunkel im Blick, das vielfältige Bimmeln der Schafsglocken im Ohr, der nächste und einzige Nachbar war etwa 500 m entfernt.
Wie gerne würden sie auch so etwas machen! Aber die Aussicht, in Deutschland alles aufzugeben, das hat dann keiner gewagt.
Nur eine Solarplatte zu haben heißt eben auch: kein Föhn, kein Bügeleisen, keine Küchenmaschine, keinen Rasierer, keinen Staubsauger, keine Waschmaschine. Gut, bis
auf die Waschmaschine haben wir die anderen elektrischen Geräte nicht wirklich vermisst. Die Kinder mussten sich nach der Schule umziehen, und so hatten wir maximal eine Maschine Wäsche in der
Woche. Im Sommer und in der Einsamkeit auf dem Land waren wir alle sowieso spärlich bekleidet.
Nachdem wir mit den Anfangsschwierigkeiten durch waren, haben wir die Jahre in der Finca sehr genossen. Für die Kinder war es das Paradies. Am Haus war ein kleiner Löschteich zu einem primitiven Pool umgebaut, vielleicht 2x3m groß. dazu Hunde, Katzen, Hühner, ein Esel und drei Monate Sommerferien.
Hierzu gab es den nächsten "Rundbrief" in dem ich ein wenig über unsere Schwierigkeiten berichtete:
Cas Concos, 28.11.1998
Liebe Familie und Freunde,
Seit meinem letzten Infobrief ist mal wieder eine Menge passiert. Ändert sich bei uns wahrscheinlich auch nicht so schnell.
Im November sind wir dann tatsächlich in die Pampa von Cas Concos umgezogen. Inzwischen kann ich das Haus relativ liebevoll "Villa Kunterbunt" nennen, aber die
ersten Monate ging es uns hier ziemlich auf die Nerven; kein Strom sondern nur eine kleine Solarplatte, das bedeutet, an wolkigen Tagen oder jetzt im Winter ist spätestens um 19.00 Uhr Licht aus.
Und Kerzenlicht ist eigentlich nur richtig romantisch, wenn man es zwei Wochen im Urlaub hat, oder als Zusatzbeleuchtung.
Dann funktionierte über Wochen die Wasserpumpe nicht richtig, was hieß, immer wieder das Wasser mit einem Eimer aus dem Brunnen holen. Und so richtig romantisch ist das nur....s.o.
Die Fliesenfarbe über den ultrahässlichen Badezimmerfliesen blätterte dauernd wieder ab, die Hühner legten keine Eier, mein Job im Hotel wurde total nervig und anstrengend, das heißt bis Weihnachten reichte es uns so ziemlich.
Da Helmuts Kompagnon in dieser Zeit einen Zusatzjob angenommen hat, musste Helmut auch noch die Pflegegärten alleine weiter machen.
Im Januar wurde dann mein Vertrag im Hotel nicht mehr verlängert, und bis zum nächsten Job habe ich wieder in den Gärten mitgearbeitet.
Wie den Kindern versprochen, haben wir uns Ende Januar eine Eselin gekauft, sie hört (manchmal) auf den Namen Elvira. Bei Ausflügen trägt sie uns durch die Gegend, wird ab und zu eingesetzt um unser Brennholz nach Hause zu bringen, ansonsten steht sie rum und frisst. In der ersten Zeit hat sie keinen Laut von sich gegeben, aber inzwischen i-at (oder so ähnlich, dafür aber sehr laut) sie gerne und oft, auch mal in der Nacht den Vollmond an, wie unsere Gäste schon erleben durften.
Mitte des Jahres hat sich Helmut von seinem Kollegen getrennt, diesmal leider im Streit. Aber wie so manches erst schlechtes entwickelte sich die Sache gut für uns. Die ersten Anfragen für eine Gartenplanung und Gestaltung kamen und er ist inzwischen gut im Geschäft.
Ich habe drei Monate in einem Immobilienladen gearbeitet, dann drei weitere Monate in einer Galerie und helfe seit kurzem auch wieder mit in den Gärten. Helmut macht zusammen mit seinem neuen Mitarbeiter die Pläne und Kundenbetreuung. Ich will -soweit möglich- nur bis mittags arbeiten und werde gerade in den wichtigsten Dingen angelernt: Pflanzennamen, Bewässerungsanlagen legen, mit Gärtnereien verhandeln... Trotz aller Anstrengung gefällt es mir super gut und wir haben reichlich zu tun. Wir werden viel weiter empfohlen und es geht uns richtig gut dabei.
Jana und Carla haben dieses Jahr auch (mal wieder) einen großen Schritt gemacht. Nach einem Jahr in der Vorschule sind sie jetzt auch im Mallorquin ganz fit und sie haben einige Freundschaften geschlossen. Uns allen ging es diesen Sommer richtig gut. Ein kleiner Pool am Haus, schöne Arbeit, viele Freunde zu Besuch. Allmählich haben wir auch die Probleme im Haus besser im Griff. Im ersten Stock wurde der Fußboden renoviert und der Vermieter ließ eine Wand einziehen, so dass wir jetzt richtig Platz haben. Wir haben unser Schlafzimmer nach oben verlegt, wobei wir im Sommer sowieso draußen auf der Dachterrasse schlafen.
Nach den Ferien sind die Mädels eingeschult worden. In der ersten Klasse sind sieben Kinder, davon drei Deutsche!
So allmählich leben wir also richtig hier trotz aller Ärger- und Hindernissen. Und wenn wir dann Mitte November bei über 20° C am Strand liegen, rundum alles wieder so richtig grün ist, Blumen in Hülle und Fülle blühen, Schmetterlinge herum fliegen, dann wollen wir auch gar nicht mehr hier weg!
Bis bald, ich hoffe es vergeht nicht wieder ein Jahr! Ganz viele liebe Grüße
Dieses allgemeine schöne Lebensgefühl trotz aller Widrigkeiten hat sich über die ganzen Jahre gehalten. Wir mussten oft kämpfen, zwischen drin auch mit finanziellen Sorgen und dem Verrat von einigen "Freunden" und Familienangehörigen.
Ich bin sehr dankbar, dass sich alles immer wieder zum Guten gewendet hat für uns. Helmut sagt an der Stelle immer: "Da haben wir auch viel für getan". Mir kam es nicht immer so vor, was zum einen daran liegt, dass ich das Leben sowieso etwas leichter nehme, zum anderen aber auch daran, dass Helmut viele Jahre in allen Bereichen den Laden schmiss.
Ich war in der Zeit wieder häufiger beruflich unterwegs. Ich bekam von der Nachfolgefirma ein Angebot und begleitete wieder die betreuten Seniorenreisen. Inzwischen wurden die Reisen nicht nur auf Mallorca, sondern im ganzen Mittelmeerraum angeboten. Das hieß, dass ich oft für einige Wochen unterwegs war: Teneriffa, Andalusien, Portugal, Kreta....
In der Zeit musste Helmut nicht nur seiner Arbeit nachgehen, sondern auch noch die Kinder zur Schule fahren und wieder abholen, und sich um den gesamten Haushalt kümmern, mit all den Einschränkungen die das Leben auf der abgelegenen Finca mit sich bringt. Das hat ihn sicher oft an seine Grenzen gebracht. Erst als ich mir wieder Arbeit auf der Insel gesucht habe, und die Kinder selbständiger wurden, konnte er ein wenig verschnaufen.
Nach einigen Jahren beschlossen wir in die Stadt zu ziehen. So schön das Landleben ist, hat es auch einige Nachteile. Du musst alles mit dem Auto erledigen- was mindestens einmal im Monat Reifenwechsel wegen der schlechten Wege einschließt. Die Kinder haben außerhalb der Schule keine Kontakte und sie konnten noch nicht einmal alleine einkaufen. Ein für mich weiterer wichtiger Grund war, dass ich keine Lust hatte, Jana und Carla jeden Nachmittag irgendwohin zu kutschieren: Musikschule, Gymnastik, Schwimmen. Ich habe viele Mütter erlebt, deren Leben nachmittags und am Wochenende überwiegend im Auto stattfand.
Wir wollten auch gerne wieder Eigentum haben, und eine Finca war und ist für uns nicht bezahlbar. Die Zeiten, wo man für 80.000 DM ein nettes Häuschen auf dem Land
bekam, waren schon zwanzig Jahre vor unserer Ankunft passé.
Nachdem wir die zündende Idee hatten, wie wir ohne Eigenkapital uns doch ein Haus kaufen konnten, gingen wir auf die Suche.
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