Eigentlich fühle ich mich immer noch im "Mittelalter", obwohl ich der Zahl nach stark auf´s Alter zugehe. Genauso schwer diesen Punkt zu bestimmen, ist es, den Anfang auszumachen. Ich setzte ihn jetzt mal mehr oder weniger willkürlich auf meinen 30. Geburtstag.
Damals war meine Welt richtig in Ordnung. Ich hatte eine schöne Dachwohnung in Bonn mit Balkon und einem zur Wohnterrasse umfunktioniertem Flachdach unter meinem Eßzimmerfenster. Meine inzwischen 10jährige Beziehung verlief in geordneten Bahnen. Mein Freund wohnte weiterhin in einem kleinen Häuschen mit Garten in einem winzigen Dorf. Die Wochenenden verbrachte ich mit ihm in dieser ländlichen Einsamkeit.
Ich verdiente mir mit kleinen Töpferaufträgen etwas Geld und hatte einen halbautomatischen Brennofen in dem Landhaus. Oft kam eine Freundin aus der Zeit des Abendgymnasiums mit, und beim gemeinsamen Töpfern entwickelten wir Liebesschnulzen a Rosamunde Pilcher. Sie hat später übrigens Drehbücher geschrieben.
Endlich studierte auch ich. Zum Vorjahressommer hatte ich das Abendgymnasium abgeschlossen und mir gedacht, mich mal so richtig von dem "Stress" zu erholen, und das ein ganzes Jahr lang.
Schon nach sechs Wochen war ich so erholt und mir wurde es so langweilig. Ich betreute weiterhin am Vormittag ein kleines Mädchen. Der restlichen Tag, sonst ausgefüllt mit Lernen, dem Unterricht am Abendgymnasium oder Treffen mit Freunden und Mitschülern, plötzlich gähnendes Nichtstun. Keineswegs erholsam. Als dann im Oktober für die meisten die Uni anfing verbrachte ich meine Zeit entweder alleine oder mit einem Kleinkind das gerade Dreiwortsätze lernte.
Jetzt also Studentin. Ich hatte mich für Biologie entschieden. Ein langer Weg bis dahin, der schon begann als ich meinen Beruf an den Nagel hängte und mich am Abendgymnasium anmeldete. Eigentlich dachte ich, in diesen vier Jahren wird mir schon die Erleuchtung kommen, was ich studieren werde. Ich belegte als Hauptfächer Deutsch und Englisch, als Nebenfächer Mathematik, Philosophie, Politik und Ethik. Kurz vor dem Abitur wusste ich weiterhin nicht, wo meine nächste Reise hingehen sollte. Mit einer Freundin durchforstete ich den Studienführer, beim Buchstaben "S" war immer noch nichts dabei, was mich reizte. Das einzige worüber ich mir damals sicher war: Helfen, Heilen, Pflegen ist erstmal nicht mehr mein Thema.
Biologie wurde es dann, weil mein Freund Biologe war. Er hatte seine Doktorarbeit über ein Zoologisches Thema geschrieben, war mit Leib und Seele in seinem Fach
dabei. Wir verbrachten einige Urlaube auf den Kanarischen Inseln wo er Feldforschung betrieb.
Ich wollte nicht wieder in einer beruflichen Sackgasse landen. So begann ich im Oktober 1986 ohne irgendwelche Vorkenntnisse in Bio, in Chemie oder Physik aber mit einem kleinen einseitigem
Einblick mit dem Studium an der Universität in Bonn.
Im Laufe meiner Schullaufbahn hatte ich mich durch Fleiß und der Gabe schnell und effektiv auswendig lernen zu können zu einer guten Schülerin entwickelt. Ich war zwar ergeizig, aber Arbeitsaufwand und Note mussten in einem guten Verhältnis zueinander stehen. Für ein "Sehr Gut" ließ ich keine Verabredung sausen. Trotz des Handicaps was mein Vorwissen anging und der Tatsache, daß ich zehn Jahre älter war als meine Mitstudenten war ich stolz darauf, gut mitzukommen. Ich fand schnell Anschluß und einige der Freundschaften haben sich viele Jahre gehalten.
So lebte ich glücklich und zufrieden- bis zum nächsten Richtungswechsel.
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