Every summer has a story
....das las ich heute zum erstem Mal auf dem wasserdichten Beutel für meinen Badeanzug. Sofort waren hunderte Erinnerungen an Sommererlebnisse und Geschichten in meinem Kopf.
Meine Eltern haben eigentlich alle Urlaube mit uns am Meer verbracht. Viele in Italien, einige in Holland, später meistens Dänemark oder Schweden.
Vom ersten Urlaub am Mittelmeer sind mir nur Bruchstücke in Erinnerung. Ich war vier Jahre alt, meine beiden Brüder drei und fünf. Ein Bekannter spendierte uns die
Zugfahrt, in Italien hatte meine Mutter eine Freundin die ein Mietshaus in Bordighera an der Riviera besaß. Dort konnten wir kostenlos in der Dachwohnungen im 4. Stock wohnen. Mein Vater
brachte uns zum Bahnhof, und meine Mutter fuhr mit uns dreien los. Er musste noch arbeiten, und kam zwei Wochen später nach.
Die Zugfahrt von Köln dorthin dauerte damals ewig, noch heute sind es nach Nizza über 17 Stunden.
Wir hatten ein ganzes Abteil für uns, das blieb auch die ganze Fahrt über so. Damals konnte man noch die drei gegenüberliegenden Sitze zusammen schieben, so das wir eine durchgängige Liegefläche hatten.
Von der Fahrt weiß ich selber nur, dass wir abends ein Zäpfchen zum Schlafen bekamen. Meine Mutter sagte "ein Bonbon für den Po". Ich hörte nur Bonbon, und biß erstmal ein Stück ab.
Über meinen jüngeren Bruder wurde noch lange erzählt, daß er erst nicht rein in den Zug wollte, und nach zwei Tagen Fahrt nicht wieder raus...
Zum Strand, der aus rundlichen kleinen und mittelgroßen Kieselsteinen bestand, gelangte man durch eine Unterführung.
Eines Morgens, als wir wieder diesen Weg nahmen, trottete ich verträumt hinter meiner Mutter her, die, an jeder Hand einen meiner Brüder, ein ganzes Stück vor mir ging. Ich schaute zu Boden während ich ihr langsam folgte. Plötzlich ein Hinderniss. Vor mir sah ich ein Bein in einer schmutzigen Hose, die kurz über dem Knöchel endete. Ein Bein! Mein Blick wanderte langsam an diesem Bein nach oben. Ein uralter Mann saß vor mir auf dem Boden der Unterführung. Unsere Gesichter befanden sich auf gleicher Höhe. Aus dunkelbraunen Augen, umgeben von zahlreichen Runzeln sah er mich an.
Ein Gefühl der völligen, unendlichen Verlassenheit stieg in mir auf. Nur ich und dieser Mann mit nur einem Bein. Starr vor Angst konnte ich mich nicht bewegen. Meine Mutter unerreichbar, schon fast am Ende des Tunnels.
Ich konnte nicht um diesen Mann herum gehen, und schon gar nicht über dieses einzelne Bein hinübersteigen. ich begann zu schreien. Schrill und laut,so laut wie ich noch nie geschrieen hatte stand ich vor dem Mann, der mich unverwandt ansah. In der Unterführung hallten meine Schreie von den gekachelten Wänden.
Nach einer Ewigkeit drehte sich meine Mutter langsam um. Ich sah wie ihr Mund Worte formte. Bewegungsunfähig schrie ich weiter. Sie musste mich holen.
Später habe ich mich manchmal gefragt, wie sich wohl der Bettler gefühlt haben mochte?
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