Vorgeschichte
„ Ein Klaps oder eine Ohrfeige hat noch niemanden geschadet“ in den 50er und auch noch in den 60er Jahren war es für Kinder alltäglich von ihren Eltern körperlich gezüchtigt und gedemütigt zu werden. Erfahrungen, die eine ganze Altersgruppe bis heute prägen und die Erziehung der nachfolgenden Generationen beeinflussten. Der Kochlöffel, der Rohrstock, der Teppichklopfer oder der Gürtel - häufig wurden in der Nachkriegszeit diese Utensilien von Eltern zweckentfremdet, um sie als Erziehungsmittel schlagkräftig gegen ihren Nachwuchs einzusetzen. Das war normal in diesen Jahren des Wirtschaftwunders, ein flächendeckendes Phänomen über alle sozialen Schichten hinweg. ("Die geprügelte Generation" Ingrid Müller-Münch).
Im Jahr 1934 erschien in erster Auflage der Erziehungsratgeber von der Ärztin Johanna Haarer
"Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind". Es wurde nicht nur ihr erfolgreichstes Buch, sondern auch das bekannteste Erziehungsbuch in der Zeit des Nationalsozialismus. Allein bis Kriegsende waren 690.000 Bücher verkauft.
Nach 1945 wurde es zunächst verboten, später unter dem Titel "Die Mutter und ihr erstes Kind" in überarbeiteter Fassung (ohne auf die ursprüngliche Version hinzuweisen) später erneut herausgegeben. Die letzte Auflage erschien 1987.
Zusammengefasst einige Auszüge aus dem Ratgeber: ,Das Kind wird gefüttert, gebadet und trockengelegt, im Übrigen aber vollkommen in Ruhe gelassen... Die Überschüttung des Kindes mit Zärtlichkeiten, etwa gar von Dritten, kann verderblich sein und muss auf die Dauer verweichlichen.... wenn es schreie, solle man es schreien lassen. Das kräftigt die Lungen und härtet ab.(Anne Kratzer: Zeit Online 2018)
Noch lange nach dem Krieg wurden viele Kinder von ihrer Mutter nie in den Arm genommen. Körperlichkeit beschränkte sich auf die Reinlichkeitserziehung, ansonsten
waren für Haarer "Hautberührungen" unerwünscht. (Quelle:Wikipedia)
Meine Eltern sind im Krieg aufgewachsen.
Mein Vater, Jahrgang 1923 hat Notabitur gemacht und wurde im Juni 1942 eingezogen. Er wuchs mit seinen Eltern und der zwei Jahre jüngeren Schwester in Dortmund auf. Sein Vater war Postbeamter, die Mutter Krankenschwester. Welche politische Gesinnung sie hatten, habe ich nie erfragt. Ich wusste, daß mein Großvater zweimal sein Geld durch Inflation verloren hat. Das er nicht gut auf Juden zu sprechen war, genauso wie mein Vater erfuhr ich erst vor kurzem durch eine Bemerkung meiner Schwester auf einem Familientreffen. Es hat mich sehr berührt, auch weil ich mir bis dahin nie darüber Gedanken darüber gemacht habe.
Im Juni 1942 musste mein Vater Soldat werden und wurde in Frankreich als Funker eingesetzt. Im August 1944 geriet er in Toulon in Gefangenschaft, kam nach Marokko und erst vier Jahre später an seinem 25. Geburtstag wieder nach Hause. Erst knapp vierzig Jahre danach schrieb er einen Teil seiner Erlebnisse einmal für uns auf. Ein Satz ist mir in Erinnerung geblieben:
Demokratie war für uns im Nationalsozialismus aufgewachsenen jungen Menschen ja auch kein Begriff...
Meine Mutter, Jahrgang 1925 war Einzelkind und wuchs in Rostock und Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern auf. Sie schwärmte immer wieder davon, wie toll für sie der Jungmädelbund (ab 10 Jahre) und später der Bund deutscher Mädel war.
Über meine Großmutter weiß ich nicht viel, vieles von dem was mir meine Mutter von ihr erzählte, habe ich vergessen. Aber ich merke beim Schreiben auch, daß ich mich wieder an einiges erinnere. Das außergewöhnlichste war, daß sie mit 33 Jahren einen elf Jahre jüngeren Mann heiratete. Ein Skandal damals, der dazu führte, daß sie eine Haustrauung abhielten, um sich dem Klatsch und Tratsch zu entziehen.
Mein Großvater Nikolaus war Nationalsozialist, welchen Rang er hatte habe ich (noch ) nicht erfahren. Auch von Ihm schwärmte sie ihr Leben lang, er muss ein begnadeter Erzähler gewesen sein, überall beliebt und geachtet, humor-und liebevoll.
Meine Mutter sagte einmal über sich selber, daß sie kein zärtliches Kind war. Ob es ihre Eigenwahrnemung oder immer wieder Erzähltes war, weiß ich nicht. Sie war
auch keine zärtliche Mutter.
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